Through Language ist ein visuelles Strassenlexikon,
ein ortsspezifisches Wörterbuch in Form von Graffiti. Als Kunstprojekt im öffentlichen
Raum wurde es bisher dreimal von der Gruppe
Parrhesia
durchgeführt, einem Zusammenschluß jüdischer und palästinensischer Künstler/innen
und Aktivisten/Aktivistinnen aus Israel.
Ursprünglich wurde das Projekt 2006 in zwei Neighbourhoods in Tel Aviv/Jaffa und Jerusalem in Israel entwickelt -
in Arabisch mit hebräischer Übersetzung. Denn obwohl es in Israel nahezu überall zweisprachige Straßenbeschriftungen
in Hebräisch und Arabisch gibt, ist dies gerade in Tel Aviv/Jaffa nicht der Fall. Darüber hinaus haben Extremisten während und
nach dem Libanonkrieg 2006 begonnen, bestehende arabische Beschriftungen zu entfernen, zu übersprayen und mit Aufklebern unkenntlich zu machen.
Parrhesia sieht diese Eingriffe einzelner Personen oder Gruppen im Zusammenhang mit der Praxis des israelischen Staates, der die
arabische Sprache und Kultur aus der Sphäre des Öffentlichen ausschließt. Zwanzig Prozent der israelischen Staatsbürger sind Palästinenser
und Palästinenserinnen, denen täglich ihre Rechte vorenthalten werden. Als Reaktion auf die Auslöschung der arabischen Sprache und Kultur
im öffentlichen Raum in Israel wurden im Rahmen des Through Language Projektes in Jerusalem (German Colony) und in einem ehemals arabischen
Viertel in Tel Aviv/Jaffa Alltagsgegenstände wie beispielsweise Türen, Fenster und Mauern auf Arabisch beschriftet und mit der hebräischen Wortbedeutung
und hebräischer Lautschrift versehen. Passanten und Passantinnen wurden so eingeladen, Arabisch auf der Straße zu lernen, die Schönheit der Worte
zu genießen und über ein mögliches wirkliches Zusammenleben nachzudenken.
Anlässlich der Ausstellung
„Overlapping Voices.
Israeli and Palestinian Artists“ im Essl Museum in Klosterneuburg (16.05.08– 26.10.2008) wurde das Straßenlexikon nach Wien
übertragen und um eine deutsche Übersetzung erweitert.
Through Language in Wien stellt die derzeitige Tendenz der westlichen Welt in Frage, sowohl arabische als auch
hebräische Sprache und Kultur als Bedrohung aufzufassen. Als konkreten Ort haben
die Künstler/innen ein Viertel im 20. Wiener Gemeindebezirk - rund um den Augarten - gewählt.
In engem Kontakt mit lokalen Geschäftsleuten und lokalen Bürgerinitiativen wurden Graffitis auf Gehsteigen und Schaufenstern geplant und
umgesetzt. Die
AugartenStadt - so haben engagierte Bewohner/innen ihr reales
Grätzl und ihren fiktiven Staat genannt - ist nicht zufällig gewählt: die so
genannte „verlorene Insel“ rund um den Augarten war vor dem Holocaust ein
jüdisches Wohnviertel. Sie ist Hauptort der Vertreibung der Juden und Jüdinnen
1938, als Ort der neuen Migration ist sie ein Raum aktueller Konflikte zwischen
Populismus, Antisemitismus, Xenophobie und muslimischer Selbstbehauptung. In
Wien sind weder Arabisch noch Hebräisch neutral. Mit Blick auf die
nationalsozialistische Vergangenheit, islamfeindliche und antisemitische
Tendenzen in der Gegenwart, scheinen diese Sprachen in der Öffentlichkeit eine
Gefahr zu sein. Die Stadtverwaltung war über das Experiment sehr besorgt - sie
befürchtete gewalttätige Reaktionen. Diese sind bislang ausgeblieben, so dass
das Projekt noch bis zum 26.10. in der
Jägerstraße
besichtigt werden kann. Jenseits
der Angst von scheinbar "fremden" Konflikten berührt zu werden, könnte die
Kombination von Arabisch, Hebräisch und Deutsch gerade an diesem Ort klären,
dass die Geschichte der Shoah und der Nakba in Deutschland und Österreich, in
Wien, auch "unsere Geschichte" ist.
Through Language in Wien ist eine Zusammenarbeit von
Parrhesia
und
Zochrot [Erinnerung],
einer Gruppe israelischer Bürger/innen mit dem Ziel, Bewusstsein für die Katastrophe der palästinensischen
Vertreibung von 1948 (Nakba) zu schaffen, und der Wiener Künstlerin und
Architektin
Ursula Hofbauer.
Aktionsradius Wien, eine lokale Kulturinitiative,
war sehr hilfreich bei der Planung und Durchführung des Projekts in Wien. Ebenso hilfreich waren viele
Geschäftsleute in der Jägerstraße und
Radio Orange (am Gaußplatz).
Die Diskussion über das Projekt und die Fragen, die die Ausstellung im Essl Museum aufwirft, läuft weiter im
blog des ritesinstitute,
der von zwei der KuratorInnen online gestellt wurde.
Ein Großteil der Schablonen, die für die
Graffiti in der Jägerstraße und zur Gestaltung eines Teils der Ausstellung im
Essl Museum verwendet wurde, befindet sich noch in Wien. Derzeit im
Pakistanischen Restaurant
Der Wiener Deewan in der Liechtensteinstraße, wo sie
helfen sollen, das Lokal noch schöner zu machen. Parrhesia versteht dieses
Schablonenset als Geschenk an die Wiener/innen, an Künstler/innen,
Aktivist/innen und Graffitiaktionist/innen. Ursula Hofbauer
vermittelt die
Schablonen gerne (!) an Interessierte!! Bei entsprechendem Wunsch auch mit
Einführung in die Handhabung.
Ursula Hofbauer bietet auch T-Shirts mit dreisprachiger Beschriftung an.